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Erste Neuwieder Eishalle in Engers? Wettrennen am Rosenmontag

Am 11. November 1894 fasste der Heddesdorfer Gemeinderat den Beschluss, „die Wiese zwischen der Ingenohl´chen Gartenmauer und dem Gemeindeland“ in eine Schlittschuhbahn umzuwandeln. Damit begann wohl die offizielle Geschichte des Kufensports in unserer Deichstadt. Aber, und diese Information könnte man fast sensationell nennen, die erste Eishalle stand offensichtlich nicht, wie man meinen könnte, in Heddesdorf, sondern in Engers. Denn welche sonstige Erklärung gibt es für eine Anzeige des dortigen „Deutschen Hauses“ aus dem Februar 1894, die für Rosenmontag, 12 Uhr, ein „Schlittschuhwettrennen im Saale“ ankündigt?
Diese und weitere amüsante und kuriose Nachrichten aus der von
Gott Jokus regierten „Fünften Jahreszeit“ hat Jürgen Moritz in vielen Jahren im Rahmen seiner Recherche zur Engerser Ortsgeschichte zusammengetragen.
So gab es zum Beispiel in Engers einst zwei
Karnevalsgesellschaften, nämlich die Engerser Karnevalsgesellschaft und die Gesellschaft Junggesellen mit dem Zusatz „Du ahnst es nicht“, wobei mit großem karnevalistischem Ernst darauf hingewiesen wurde, „das man doch beide nicht verwechseln möge.“ Es gab einen „Närrischen Club“, den Verein „Et hätt noch grad dargedron“ und selbst eine Gesellschaft mit dem bemerkenswerten Namen „Mir han se net mie all“, unter deren Namen der närrische Lindwurm des Jahres 1910 organisierte wurde.
Apropos Umzüge: Sie fanden in der Frühzeit des Engerser Karnevals nicht in jedem Jahr statt und wechselten auch schon einmal zwischen Rosenmontag und
Veilchendienstag, wobei die Veilchendienstagzüge sogar zeitweilig überwogen. Der Zugweg war dabei nicht auf Engers beschränkt, sondern führte regelmäßig nach Mülhofen, wie überhaupt die Fastnacht über lange Zeit eine Angelegenheit beider Orte gewesen sein dürfte. Die Karnevalisten der Vergangenheit waren schlechthin „grenzüberschreitend“ aktiv: Die Bendorfer Casinogesellschaft fuhr mit ihren Prachtwagen über Weis bis nach Engers, der Wagenzug der Weiser Fastnachter fuhr zumindest in einem Jahr ebenfalls bis nach Engers, durfte allerdings -da war die gestrenge Obrigkeit vor- gemäß Polizeiverordnung nur teilweise in die Schlossstraße einfahren!? Und im Jahr 1912 schmückte sogar -wer hätte das gedacht- der Wagen des
Elferrates der „Großen Neuwieder Karnevalsgesellschaft“ den Engerser Veilchendienstagzug.

Mancher Lokalpolitiker der Gegenwart, der von den Narren durch den karnevalistischen Kakao gezogen wird, mag sich in eine Zeit zurücksehnen, als Karnevalsumzüge noch mit einer „kernigen Ansprache“ des Präsidenten begannen der die Narren vor Zugbeginn zur Ordnung mahnte. In eine Zeit, als der Umzug noch vor dem Bürgermeisteramt stoppte, der Präsident dort dem Bürgermeister für sein Wohlwollen dankte, worauf von der versammelten Narrenschaft ein dreifaches Hoch auf den Herrn Bürgermeister ausgebracht wurde. So zumindest laut einer Schilderung des Engerser Maskenzuges im Jahr 1898. Neben den Umzügen waren vor allem Damensitzungen und „Bohnenbälle“ die karnevalistischen Highlights jener Tage. Höhepunkt dieser Bohnenbälle war die Präsentation der „Bohnenkönigin“, die mit einer Damenuhr oder einem sonstigen Schmuckstück dekoriert wurde, welches zuvor beim örtlichen Uhrmachermeister von den Engerser Damen in der Auslage bewundert werden konnte.

Allerdings gab es auch in der „guten alten Zeit“ gelegentlich Verwicklungen, die zum Einschreiten der Ordnungsmacht führten. So wurden im Jahr 1901 die Engerser Narren zuerst vor das Neuwieder Schöffengericht und dann sogar vors Landgerichtgezerrt. Anlass war eine Anzeige des Bendorfer Polizeikomissars. 27 Mitglieder der Engerser Karnevalsgesellschaft waren angeklagt, die Dreistigkeit besessen zu haben, am Karnevalsdienstag ohne polizeiliche Erlaubnis Mülhofen besucht zu haben! Ob dieser Missetat hatten dieselben laut Zeitungsbericht von der Polizeiverwaltung Bendorf ein Strafmandat von je 3 Mark erhalten, dagegen jedoch Widerspruch erhoben mit dem Einwande, dass sie gar keinen Umzug in Mülhofen veranstaltet hätten, sondern nur ca. 160 Meter nach Mülhofen hinein gefahren wären, um dort mit den großen Wagen drehen zu können. Diese Angaben wurden durch die Zeugenvernehmung bestätigt, sodass der Herr Amtsanwalt selbst die Freisprechung beantragte, welche denn auch erfolgte. Gleichwohl ließ dies den Bendorfer Polizeikomissar nicht ruhen und er brachte die Engerser Karnevalisten vor das Landgericht, wo allerdings ebenfalls ein Freispruch erfolgte. Die Engerser Karnevalisten veranlaßte dies, sogleich ein „Siegesfest“ in Gasthof Velten zu veranstalten.  

Und im Jahr 1902 wird das Verhältnis der Kirchspielnarren zum Amtsort Engers nicht ganz ungetrübt gewesen sein. Denn in diesem Jahr fand laut knappem Hinweis der Heimbach-Weiser Karnevalsgesellschaften im Jubiläumsheft 2002 keine Karnevalsumzüge in den Orten des Kirchspiels statt. Den Grund kannte man damals noch nicht, was Jürgen Moritz bewog, der Sache auf den Grund zugehen. Und wie konnte es anders sein: Schuld war ein Engerser Bürgermeister! Oder, doch nicht so ganz? Aber lesen Sie diese Geschichte, die ja eher eine Heimbach-Weiser Fastnachtsgeschichte ist, im diesjährigen Heimbach-Weiser Fassenachts-Anzeiger...   

 

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